Konsequenzen wegen Unregelmäßigkeiten bei den Mieterratswahlen

Wegen des völlig inakzeptabelen Ausschlusses von Mietaktivist*innen bei den Mieterratswahlen der GESOBAU fordert die Initiative Mietenvolksentscheid Konsequenzen.
Wegen des völlig inakzeptablen Ausschlusses von Mietaktivist*innen bei den Mieterratswahlen der landeseigenen GESOBAU fordert die Initiative Mietenvolksentscheid, dass der zuständige Senator endlich einschreitet.

 

Offener Brief:
Mieterratswahlen stoppen und neu ausschreiben

 

Sehr geehrter Herr Senator Geisel,

 

bei einigen Wahlen der Mieterräte in den städtischen Wohnungsbaugesellschaften (LWU) ist es nachweislich in vierfacher Hinsicht zu Unregelmäßigkeiten gekommen, die in Widerspruch zu der Intention des Wohnraumversorgungsgesetzes Berlin stehen, die auf die Stärkung der Selbstermächtigung der Mieterschaft ohne Einflussnahme der LWU abzielt:

 

  • Bei der Konstituierung der Wahlkommission bei der GESOBAU hat eine ihrer Angestellten Einfluss auf die Zusammensetzung der Kommission genommen.
  • Die GESOBAU hat datenschutzrelevante Informationen über Kandidat*innen an die Wahlkommission weitergegeben.
    Dabei sind Informationen weitergeleitet worden, die sich auf die Wahrnehmung demokratischer Rechte von Mieter*innen (wie z.B. Protest gegen Mietsteigerung aufgrund von Modernisierung) beziehen und von der GESOBAU als für die Zulassung der Kandidat*innen relevant beurteilt wurden.
  • Die Behauptung eines Verstoßes von Kandidat*innen gegen das „friedliche Zusammenleben“ der Mieterschaft  ist unzutreffend. Der von Ihnen in Ihrem Schreiben an den Abgeordneten Herrn Andreas Otto vom 20.07.2016 erläuterte Sachverhalt, wonach „ausschließlich hohe Mietrückstände bzw. gewalttätige (körperliche oder verbale) Übergriffe gegenüber Nachbarn“ Kriterien für den Ausschluss vom passiven Wahlrecht wären, trifft in allen uns bekannten Fällen eindeutig nicht zu.  Aus Sicht der Initiative Mietenvolksentscheid (MVE) handelt es sich vielmehr um Versuche, kritisches Potential der Mieterräte zu schwächen.
  • Beim bislang bekannt gewordenen Ausschluss von 108 Kandidat*innen fehlte die Rechtsmittelbelehrung der Betroffenen. Durch den Ausschluss ist diesen das passive Wahlrecht genommen worden.
    Durch die Praxis einzelner LWU, abweichend von dem bei Briefwahlen üblichen Verfahren, die Rückumschläge – die in den offenen Wahlzetteln lagen – mit der Mietvertragsnummer zu kennzeichnen, ist das Wahlgeheimnis verletzt worden.

Diese Vorgänge sind auf eine breite öffentliche kritische Resonanz gestoßen bis zu dem Punkt, dass die erstmalige Konstituierung der Mieterräte als gescheitert angesehen wird (s. z.B. Kommentar in der Berliner Zeitung von 8.6.2016). Die Vorgänge haben die Mieterratswahlen in Misskredit gebracht. Es drohen Auseinandersetzungen vor Gericht.

 

Dieser Umstand zusammen mit den geschilderten Unregelmäßigkeiten lassen mich als Sprecher des MVE Sie als Vertreter des Senats und des Landes Berlin als rechtlichem Eigentümer der LWU in der Pflicht sehen, diese zu folgenden Maßnahmen zu veranlassen:

 

  • Die laufenden Wahlvorgänge zu stoppen und die Wahlen neu auszuschreiben.
  • Alle Mieterratswahlen sind dem bei Briefwahlen üblichen Verfahren entsprechend durchzuführen.
  • Jegliche direkte oder indirekte Einflussnahme der LWU auf die Zusammensetzung der Wahlkommissionen und auf die Wahlen zu den Mieterräten ist zu unterbinden.
  • Dazu ist die von Ihrem Haus erstellte Musterwahlordnung zeitnah zu novellieren. Dabei sind unsere Änderungsvorschläge vom März 2016 sowie die Schlussfolgerungen aus den missglückten Wahlvorgängen bei den LWU zu berücksichtigen.

Mit der Bitte um Stellungnahme verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

 

Rouzbeh Taheri

 

Initiative Mietenvolksentscheid

 

Der Offene Brief als PDF:
2016-08-11_MVE_Offener Brief Mieterratswahlen stoppen und neu ausschreiben


Mieterratswahlen werden zur Farce

Die Künstlerin, politische Aktivistin und Feministin Senta Söneland bei ihrer flammenden Rede für das Frauenwahlrecht vor dem Bahnhof Zoo am 19. Januar 1919 (Quelle: Bundesarchiv)
Kampf ums Wahlrecht: die Künstlerin, Feministin und politische Aktivistin Senta Söneland am 19. Januar 1919 bei ihrer Rede für das Frauenwahlrecht vor dem Bahnhof Zoo (Quelle: Bundesarchiv)

Pressemitteilung:

Zum Ausschluss von über hundert MieterInnen vom passiven Wahlrecht bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) erklärt der Sprecher der Initiative Mietenvolksentscheid, Rouzbeh Taheri:

 

„Der massenhafte Ausschluss von MieterInnen bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist ein Skandal.“ Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine Anfrage des Abgeordneten Steffen Zillich (LINKE) sollen insgesamt 108 MieterInnen als KandidatInnen für die Mieterratswahlen gemäß Wohnraumversorgungsgesetz (WovG) abgelehnt worden sein. (siehe Drucksache 17/18841 des Abgeordnetenhauses von Berlin).

 

„Wir wissen von mehreren Fällen, speziell bei der GESOBAU, dass aktive MieterInnen gezielt von der KandidatInnenliste gestrichen worden sind“, so Taheri weiter.

 

Die Begründung sei, dass diese „schwerwiegende Verstöße gegen das friedliche Zusammenleben“ begangen hätten. Auf Nachfrage reduzieren sich diese vermeintlichen Verstöße auf Widersprüche gegen Modernisierungen oder Kritik an der Geschäftsführung, auch wenn dies vom Herrn Staatssekräter Engelbert Lütke Daldrup in der Antwort zur obig erwähnten Anfrage (unter Nr.2) verneint wird.

 

„Anscheinend haben einige LWU den Schuss nicht gehört. Die Zeiten, in den die Gesellschaften losgelöst vom demokratischen Willen der MieterInnen agieren konnten, sind vorbei. Wenn MieterInnen ihre gesetzlich verbrieften Rechte wahrnehmen und deshalb vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen werden, erinnert dies an das Gebaren autoritärer Herrscher. So wird die Mieterratswahl zur Farce.
Wir fordern den sofortigen Stopp des Wahlvorgangs und die Überprüfung aller Ausschlüsse durch ein unabhängiges Gremium. Hier muss auch der Senat als Eigentümer der LWU eingreifen“, führt Taheri weiter aus.
Die Musterwahlordnung, die laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auch die Zustimmung der Initiative Mietenvolksentscheid habe, wurde von dieser zu keinem Zeitpunkt bestätigt, erklärt Taheri: „Alle unsere Änderungsvorschläge zu dieser Musterwahlordnung wurden abgelehnt. Von einer Zustimmung unsererseits kann keine Rede sein.“

 

Wie ein anderer Umgang mit Mieterratswahlen auch möglich ist zeigt übrigens das Unternehmen Stadt und Land. Hier gab es keinen einzigen Ausschluss vom passiven Wahlrecht.

 

Pressemitteilung der Initiative Mietenvolksentscheid vom 3. August 2016