An den Mieterbeirat Frankfurter-Allee-Süd

 

Liebe MitstreiterInnen,

 

im Namen der AG Gesetzesbegleitung des Mieten-Volksentscheids antworten wir auf Ihre Kritik.

Vorab sei folgendes klargestellt: Die Kritik des unzureichenden Kontakts der VE-Initiative mit VertreterInnen der Mieterbeiräte ist berechtigt. Nach drei Treffen mit Ihnen ist leider eine neue Terminvereinbarung nicht zustande gekommen. Einer der Gründe ist sicherlich der große Zeitaufwand, den unsere Arbeit am Gesetz erforderte. Über konkrete schriftliche Anregungen Ihrerseits hätten wir uns allerdings durchaus gefreut.

In den mit SPD und SenStadt geführten Gesprächen hat die Gegenseite in der Frage der Mietermitbestimmung von Anfang an eine strikte Linie vertreten, die sich auf zwei Punkte fokussierte: 1. keine Aufwertung der Mietermitbestimmung zu Lasten der Mitbestimmung der Beschäftigten – und damit auf ganz enge Grenzen für eine Beteiligung der MieterInnen in den Aufsichtsräten; 2. grundsätzlicher Widerstand gegen ein substantielle Stärkung der Rechte der Mietergremien in den Landeswohnungsunternehmen (LWU), der nur nach harten Diskussionen z.T. aufgebrochen werden konnte.

In dieser „Gefechtslage“ konnten von uns leider nur fünf wichtige Punkte gesetzlich durchgesetzt werden (s. hierzu unsere Erklärung „Warum wir den Mieten-Volksentscheid nicht fortsetzen und trotzdem weitermachen“ auf www.mietenvolksentscheidberlin.de): Schaffung von direkt gewählten Mieterräten für jedes der 6 LWU, Sitz und Stimme eines Mieterrats im Aufsichtsrat der LWU inkl. einem zweiten Mietervertreter als Gast, Sitz und Stimme von zwei Fachbeiräten zur Einbringung von Mieterinteressen im Verwaltungsrat der AöR, Vetorecht von 2 Fachbeirats-Mitgliedern gegen Privatisierung von Wohnungen der LWU sowie deutliche Ausweitung der Transparenz der Entscheidungen der AöR. Wir sind der Auffassung, dass damit deutlich größere Spielräume als vor dem Mietenvolksentscheid für mehr Einfluss der Mieterschaft auf die Politik der LWU gegeben sind. Sie müssen aber auch offensiv und adäquat genutzt werden. Wir würden uns freuen, wenn Sie dazu bereit wären.

Wir teilen auch Ihre Kritik (die ausführlicher bei unserem Treffen in der Kiezspinne im letzten Jahr geäußert wurde), dass „die bisherigen Vorstellungen zur Tätigkeit und zu den Aufgaben der Mieterräte … mehr Fragen hervor(rufen) als Antworten gegeben werden“. In der Tat ist die Anbindung der Mieterbeiräte an den Mieterrat des jeweiligen LWU (s. Art. II, § 6, Abs. 7: “Neben den Mieterräten können gebietsbezogene Mieterbeiräte eingerichtet werden“) im WoVG völlig unzureichend geregelt. Grund ist allerdings nicht Geringschätzung dieses Punktes unsererseits, sondern auch hier der erwähnte Widerstand der Gegenseite und die Tatsache, dass nicht überall in den LWU Mieterbeiräte existieren.

Die Kritik, das WoVG „legt die Mietermitbestimmung in die Hände der aus der Mieterschaft der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen neu zu bildenden Mieterräte und der in den Fachbeirat zu entsendenden Mietervertreter“, halten wir für unzutreffend. Richtig ist, dass den neuen Mieterräten erstmals als Organ der Gesellschaften gesetzliche Rechte gegeben werden. Jeder Mieterrat kann mit seiner Unternehmensleitung auch weitergehende Rechte vereinbaren, wie dies teilweise für Mieterbeiräte einzelner LWU schon praktiziert wurde; hier unterstützen wir gerne entsprechende Forderungen. Der zentrale Einwand gegen die Kritik lautet aber: Die Beteiligung der zwei Fachbeiräte im Verwaltungsrat der AöR schließt die Beteiligung der Mieterschaft und damit auch der neu zu schaffenden und der existierenden Mieterbeiräte nicht aus. Durch die Beratungsaufgabe des Fachbeirats für die Mieterräte kommen im Gegenteil deren Probleme direkt im Verwaltungsrat der „Steuerungs-Anstalt“ zur Sprache und können somit u.a. auch direkt an die Senatsverwaltungen herangetragen werden. Bei aller Knappheit der Regelung schließen auch § 6 Abs. 7 und seine Begründung die Beteiligung der Mieterbeiräte an Konstituierung und Arbeit der Mieterräte explizit nicht aus, sondern ermöglicht sie gerade per Gesetz. Form und Ausmaß dieser Beteiligung hängt natürlich von der Auslegung des WoVG in der Praxis ab – damit auch vom Engagement der Mieterbeiräte für die Durchsetzung ihrer Interessen und von der entsprechenden Zusammensetzung der Mieterräte. Wir würden uns auch hier auf Engagement von Ihrer Seite freuen.

Für nicht nachvollziehbar erachten wir daher auch die Unterstellung, die Mieten-VE-Initiative strebe eine „Führungsrolle“ an, bzw. die Kritik, „die Initiative ‚Mietenvolksentscheid‘ kann sich nicht anmaßen, für die Mehrheit der Mieterschaft der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu sprechen.“ Die Beteiligung der Mieterschaft in den sechs LWU ist wie bisher über die Mieterbeiräte und zusätzlich nun auch über die Mieterräte abgesichert; Mitglieder der Mieten-VE-Initiative können in gleichem Maße wie die Mieterorganisationen und andere Verbände im Verwaltungsrat der AöR bzw. im Aufsichtsrat der LWU tätig werden (voraussichtlich vor allem nur im Fachbeirat). Welche MieterInnen, Initiativen und Organisationen in diesen drei Organen tätig sind, hängt jedoch ausschließlich davon ab, ob sie in diese Organe gewählt bzw. (wie beim Fachbeirat) nach Art. III, § 3, Abs. 5 WoVG von der AöR berufen werden. Von Anmaßung unsererseits zu sprechen, ist daher abwegig.

Ob die von Ihnen geforderte „vollständige Übertragung der Zuständigkeit für die landeseigenen Wohnungsunternehmen von SenFin an SenStadt“ wirklich sinnvoll ist, lässt sich aus der bisherigen Praxis von SenStadt gegenüber den Landeswohnungsunternehmen leider bislang noch nicht belegen, das muss die Praxis zeigen.

Die persönliche Kritik an Jan Kuhnert, sein Handeln richte sich „nicht auf die Interessenvertretung der Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsunternehmen, sondern eher auf seine eigenen beruflichen, wirtschaftlichen und politischen Interessen“, weisen wir entschieden zurück. Wir betrachten seine künftige Tätigkeit als Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der AöR im Sinne der Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt als Erfolg unserer Initiative und nicht als Ergebnis von Karriereinteressen von Jan Kuhnert.

Wir wollen uns mit Ihnen gerne zusammen für eine gute Vertretung von Mieterinteressen einsetzen und freuen uns auf eine gemeinsame Zusammenarbeit in der Zukunft. Wir würden uns freuen, wenn unsere Antwort nun Anlass für vertiefende Gespräche sein kann.

 

Für die AG Gesetzesbegleitung der Mieten-Volksentscheids-Initiative

gez. Horst Arenz und Melanie Dyck