Verpflichtungsmiete des Senats erlaubt weiter fiktive Kosten zu Lasten der Mieterschaft

Der neue Senat will die sog. Verpflichtungsmiete einführen. Der Gesetzentwurf des Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung würde – wenn er denn so im AGH beschlossen wird – das Tor für zusätzliche Mieterhöhungen im alten Sozialen Wohnungsbau aufmachen.
Das Hearing des Initiativenforums Stadtpolitik Berlin vom 28. Juni zu „Unsoziale Mieten im sozialen Wohnungsbau  – Neuer Anlauf für eine Reform im sozialen Wohnungsbau?“ hat immerhin den unter dem früheren Senator Geisel abrupt abgebrochenen Dialog von Politik, Verwaltung und Mieterinititiven wieder aufgemacht und zu einem ersten konstruktiven Austausch geführt. Es gibt Anlass zur Hoffnung, dass im palamentarischen Verfahren noch substantielle Änderungen im Interesse einer Mieterschaft einer Stadt möglich sind, die inzwischen bundesweit Spitzenreiter im Mietanstieg ist.
Hierzu als Diskussionsbeitrag die folgende Bewertung des Gesetzentwurfs im Einzelnen.

  • Vermieter konnten bislang mangels Gesetzesvorschrift ihre in privatrechtlichen Vereinbarungen mit dem Senat bzw. der IBB eingegangene Verpflichtung (sog. „Ansatzverzicht“) missachten, keine Kapitalkosten für Fremdfinanzierung für bereits getilgte Darlehen (sog. fiktive Kosten) in der Miete anzusetzen. Die nun beabsichtigte Korrektur versetzt die IBB in die Lage, dagegen per Bußgeld vorzugehen. Dies betrifft aber (nur) – wie von Senator Gaebler behauptet – ca. 2.000 Wohnungen. Diese Gesetzeslücke zu schließen war überfällig, gilt aber – neben den genannten 2.000 Bußgeld-Fällen – nur für Sozialwohnungen mit Anschlussförderungen.
  • Problematisch wird es dagegen mit Blick auf Bestimmungen bei vollständiger Ablösung der Kapitalkosten von Bankdarlehen und von Kosten öffentlicher Darlehen. Für ersteren Fall (Bankdarlehen) wird zurecht die „teilweise oder vollständige Aufhebung … von Ansatzverzichten (für) unzulässig“ erklärt. Diese Klarstellung des Verbots eines jahrelang existierenden Schlupflochs für Vermieter ist zu begrüßen. Um den Streit darüber zu vermeiden, wäre es allerdings sinnvoller gewesen, diese Regelung gleich vorab in die Richtlinien zur Anschlussförderung zu schreiben.
  • Zu Fall 2 (bei öffentlichen Darlehen) heißt es dagegen (Ds 19/1042, § 1a Verpflichtungsmiete, Abs. 2, Satz 4):
    „Nach freiwilliger vorzeitiger vollständiger Rückzahlung der öffentlichen Aufwendungsdarlehen sind zusätzliche Ansatzverzichte auf Kapitalkosten für Fremdmittel nicht zu erbringen, soweit erst nach dem Zeitpunkt der Rückzahlung der Aufwendungsdarlehen die vollständige Tilgung der Fremdmittel, die Umfinanzierung oder Umstellung auf das Restkapital oder die Ersetzung der Fremdmittel durch Eigenmittel erfolgt.“
    In diesem Fall können Vermieter – die schon bei Bankdarlehen auf (fiktive) Kostenansätze für abgelöste Bankdarlehen verzichtet haben – bei öffentlichen Darlehen solche Kosten „ansetzen“, müssen also nicht doppelt verzichten. Die so entstehende Kostensenkung verpflichtet sie zwar nicht zur Mietsenkung, die daraus entstehende höhere Gewinnspanne muss jedoch den Förderbestimmungen entsprechend zur Darlehensablösung eingesetzt werden, fließen also an das Land.
    Diese seinerzeit zur Sanierung der hohen Defizite im Landeshaushalt eingeführte Bestimmung produziert allerdings folgenden kritikwürdigen Sachverhalt: Das Land erhält Zusatzeinnahmen, die nicht wohnungspolitisch eingesetzt werden, sondern in den allgemeinen Haushalt einfließen. Unterm Strich werden so Haushalte für die Rückzahlung der Landesdarlehen z.T. mit auf nicht vorhandenen Kosten basierenden Mieten belastet, die das Land für allgemeine Ausgaben und/oder zur Senkung von Haushaltsdefiziten einsetzt.
    Mit dieser Bestimmung wird so – wie in der Vergangenheit – die Abwälzung fiktiver Kosten auf die Miete weiter zugelassen, nur mit dem Unterschied, dass die entsprechenden höheren Einnahmen nicht auf Vermieterkonten, sondern im Landeshaushalt landen.  Das Land (bzw. die im AGH beschlossene Politik) wird so zum Profiteur von zu hohen Mieten, die auf Scheinkosten basieren. Hier macht sich die Landespolitik, die – im Unterschied zu privaten Kapitalgebern – gemäß Artikel 65, Abs. 1 der Landesverfassung dem Ziel der „Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse“ verpflichtet ist, zum Täter. Dies ist politisch untragbar.
  • Die Mietenbewegung kämpft seit mehr als 10 Jahren gegen fiktive Kostenansätze in der sog. Kostenmiete und fordert erstens, dass diese seinerzeit „Entschuldungsgewinne“ genannten fiktiven Kosten ausnahmslos für alle Sozialwohnungen, also auch für Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung, unterbunden werden und zweitens grundsätzlich die bislang geltende Kostenmiete durch Ausschuss fiktiver Kosten in eine „bereinigte Kostenmiete“ transformiert wird. Beide Forderungen sind bis heute und auch durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht erfüllt.
  • Weitere Kritikpunkte kommen hinzu: Es würden mit diesem Gesetzentwurf für diese der Klageweg gegen Vermieter erschwert, weil die (nicht öffentlichen) Verträge mit der Verpflichtungsmiete nun zum Gesetz erhoben werden und weil für die Mieter:innen keine Transparenz über die geltend gemachten Kosten existiert.
    Über die Motive des Senats kann man spekulieren, dass damit Vermieter zur vorzeitigen Darlehensablösung motiviert werden sollen (Stichwort Mehreinnahmen im Landeshaushalt). Fest steht: Mit seiner einseitigen Interpretation des Gesetzentwurfs täuscht der Senat so Mieterschaft und Öffentlichkeit.
  • Die Auseinandersetzung über Entschuldungsgewinne der Vermieter war begleitet von einem heftigen Streit in der r2g-Koalition ab 2016 über die sog. „Richtsatzmiete“. Die SPD wollte eine Richtsatzmiete in Stufen, die höhere Mieten für höhere Einkommen zulässt. Damit hätten die betreffenden Mieten steigen und dann mit deutlich höherer Miete nach Auslaufen der Bindungen in das Vergleichsmietensystem eingehen können.
    Grüne und bestimmte Vertrer:innen von LINKEN und der Mietenbewegung (u.a. mieterstadt.de, Kotti&Co, Mietenvolksentscheid) lehnten diese besonderen höheren Einkommensstufen der Richtsatzmiete ab mit der Begründung, dass dadurch Anreize für Vermieter geschaffen würden, Wohnungen an bessergestellte Haushalte zu Lasten einkommensschwächerer Haushalte zu vergeben.
    Würden Phantomkosten wie Kosten für bereits abgelöste Darlehen in den Bestimmungen zur „Kostenmiete“ von vorneherein ausgeschlossen, wäre statt der Richtsatzmiete eine deutlich niedrigere bereinigte Kostenmiete die bessere, verlässliche Grundlage, weil sie einkommensabhängige Mietzuschläge einer Richtsatzmiete ausschließt.
    Die entsprechenden Verhandlungen wurden seinerzeit in der r2g-Koalition von der SPD einseitig (nicht zuletzt auch mangels Einigung zwischen Grünen, Mieterbewegung und Linksfraktion) abgebrochen.

Fazit: Der Gesetzentwurf schafft einerseits per Gesetz endlich Klarheit bzgl. der Umlage fiktiver Kosten von Bankdarlehen auf die Miete („Aufwandsverzicht“). Dies ist ein wichtiger Fortschritt. Andererseits bleiben ohne Reform des Kostenmietrechts Mieten des Sozialen Wohnungsbaus mit Scheinkosten belastet, von denen anstelle der Vermieter nun das Land profitiert. Der Sektor Wohnungen ohne Anschlussförderung bleibt zudem weiter komplett außen vor.

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Deshalb ist ohne eine Änderung in diesem zweiten Punkt der Gesetzentwurf des Senats zur Verpflichtungsmiete abzulehnen.


 

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Mieten-Wahl Berlin 2023: Spitzenkandidat:innen stellen sich Mieten-Inis

Die vom Initiativenforum initiierte und mit BMV, DWe und anderen Mieten-Inis organisierte und vom BMV (Hamann, Bartels) moderierte VA in der Moabiter Reformationskirche war sehr gut besucht.
Giffey schickte ihren Staatssekretär, auch die Spitzenkandidaten von CDU/FDP kniffen. BMV und Mieten-Inis konnten ihre Forderungen ausführlich präsentieren.
Jarasch (Grüne Berlin): „Ich bin die Einzige unter den „Regierenden BM“, die das Vergesellschaftungsgesetz umsetzt.“





https://taz.de/Debatte-um-Enteignungen-in-Berlin/!5908087/

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https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170464.berlin-wahl-was-ist-die-partei-der-mieter.html

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Bernt/Holm-Studie: durch Vergesellschaftung kräftige Mietsenkung möglich

Quelle: Neues Deutschland 11.1.23

In der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung i.A. gegebenen Studie wird gezeigt, dass die privaten Wohnungsunternehmen unter dem Druck ihrer Aktionäre höhere Mieten realisieren als z.B. die Landeswohnungsunternehmen, die als Referenz herangezogen werden.
Offen muss dabei zwangsläufig noch die Höhe der über die Miete zu finanzierenden Entschädigung sein. Im Konzept der Initiative wird dabei die „leistbare Miete“ angesetzt, d.h. eine Bruttowarmmiete in Höhe von 30% des Haushalt-Netto-Einkommens. Die Entschädigung der betroffenen Eigentümer:innen erfolgt über handelbare Schuldverschreibungen mit 40 Jahren Laufzeit.
Ein Mietanstieg wäre damit ausgeschlossen.

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https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/studie-nach-vergesellschaftung-koennten-mieten-fuer-ueber-200000-wohnungen-sinken-li.305761

s.a.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170025.deutsche-wohnen-co-enteignen-weniger-miete-soll-moeglich-sein.html?sstr=Walther

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Offener Brief aus DIE LINKE Berlin: Ohne Mietenstopp kein „Mietenbündnis“

Giffeys „Mietenbündnis“ maßt sich gesetzgeberische Kompetenzen an. So sollen darin mitwirkende private Wohnungskonzerne auch über die Politik der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) mitentscheiden.
Das Mietenbündnis als dem Parlament vorgeschaltete Institution? Auch der Koalitionsvertrag ist in Gefahr: Senator Geisel regt an, dass die LWU Wohnungen als Eigentumswohnungen verkaufen. Im KOAV heißt es dazu jedoch explizit: „Die Privatisierung der Wohnungen der LWU schließen wir aus.“

Parteimitglieder haben deshalb einen Offenen Brief verfasst, in dem für die Zustimmung zum #mietenbündnis zwei Bedingungen aufgestellt werden.

Im Klartext: Ohne diese beiden Punkte kein #mietenbündnis. Das hieße dann wahrscheinlich: Bruch der Koalition.

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http://katalingennburg.de/wp/2022/06/13/offener-brief-zum-wohnungsbuendnis/http://katalingennburg.de/wp/2022/06/13/offener-brief-zum-wohnungsbuendnis/

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Brutale LWU-Einmischung in Mieter*innen-Mitbestimmung

Trotz sicher offener Bewertungsfragen im Einzelnen: Die Einmischung von Stadt + Land in die Mieterbeiratswahlen ist nicht hinnehmbar (s.a. Erklärung unseres Sprechers), auch nicht deren Unterstützung durch ein Mitglied der Linksfraktion. Hier sind Politik und Senatorin gefordert. Den LWU wurde per Gesetz (WoVG) die Mitgliedschaft eines Mieterrats im Aufsichtsrat aufgezwungen. Dann kann der Gesetzgeber den LWU auch Vorschriften zur Wahlordnung (bzw. Satzung) machen, entsprechend können Senatorin und Linksfraktion VOR in Krafttreten auch politische Position beziehen. Die Wahlordnung in den LWU muss dringend überarbeitet und durch die Politik vorgegeben werden. Die AG Mieterratswahlen der AöR wird demnächst ihren Vorschlag vorstellen.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/wahl-zum-mieterbeirat-der-ausschluss-von-ingo-franke-hat-weitreichende-folgen-29934978

 

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