Worum geht es im Volksentscheid?

Das Ziel des Volksentscheids ist die Schaffung von ausreichendem preiswertem Wohnraum in Berlin. Dafür sollen die öffentlichen Wohnungsunternehmen so ausgerichtet werden, dass sie nicht mehr profit- sondern gemeinwohlorientiert arbeiten. Die öffentliche Förderung soll so ausgerichtet werden, dass sie dieses Ziel unterstützt. Außerdem soll die Mieter-Mitbestimmung deutlich ausgebaut werden.

Warum ist so ein Volksentscheid nötig?

Unsere Stadt erlebt eine Mietenexplosion. Viele Berlinerinnen und Berliner können ihre Mieten kaum noch bezahlen und finden keine Wohnung, wenn sie umziehen wollen oder müssen. Mieterhöhungen, Kündigungen und Zwangsräumungen sind an der Berliner Tagesordnung. Die angekündigten Maßnahmen des Senats, wie z.B. teure Neubaupläne, sind keine Lösung des Problems. Deshalb sollten die Berlinerinnen und Berliner es jetzt selbst in die Hand nehmen und ein Gesetz in Kraft treten zu lassen, das die Wohnraumversorgung in der Stadt sichert. Selbstorganisiert und basisdemokratisch. Damit können sich die Berliner und Berlinerinnen unabhängig von der Politik durchsetzen, egal welche Regierung als nächstes an die Macht kommt.

Wodurch wird sichergestellt, dass die städtischen Wohnungsunternehmen in Zukunft auch tatsächlich eine soziale Funktion erfüllen und gemeinwohlorientiert arbeiten?

Die öffentlichen Wohnungsunternehmen werden durch dieses Gesetz nicht mehr nach privatem, sondern nach öffentlichem Recht wirtschaften. „degewo“, „GESOBAU AG“, „HOWOGE“, „STADT UND LAND“, „WBM“ und die „GEWOBAG“ werden in Anstalten öffentlichen Rechts umgewandelt. Dadurch können sie in Zukunft gemeinwohlorientiert arbeiten und müssen nicht mehr wie bisher Gewinne erzielen und an den Senat abführen. Eine Privatisierung der Unternehmen, wie z.B. die GSW 2004, ist nicht mehr möglich. Zur Erweiterung des Wohnungsbestands bekommen die städtischen Unternehmen mehr Eigenkapital und können auf Neubau- und Modernisierungsförderungen zurückgreifen, wodurch günstiger Neubau und Modernisierung ohne Mietsteigerung möglich werden. Durch Mietermitbestimmung kann direkt Einfluss auf mieterhöhende Modernisierungsmaßnahmen, aber auch auf Verkaufs- und Neubauabsichten ausgeübt werden. Zwangsräumungen von Transfereinkommensbezieherinnen und -beziehern ist in den Unternehmen nicht erlaubt. Durch eine zielgerichtete Wohnungsberatungsstelle sollen Mietschulden und drohende Obdachlosigkeit verhindert werden.

Was ist eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR)?

Eine AöR ist ein Betrieb im städtischen Besitz, welcher jedoch weitgehende rechtliche und organisatorische Selbständigkeit besitzt. Mittels eigener Satzung wird die Organisation und Geschäftsführung der Anstalten geregelt, was etwa die Möglichkeit bietet, Formen demokratischer Mitbestimmung zu installieren und Kontrolle durch die Öffentlichkeit gewährleistet. Eine AöR kann genauso effizient und effektiv arbeiten wie eine GmbH oder AG – Im Unterschied zu GmbHs im staatlichen Besitz müssen AöRs aber nicht gewinnorientiert arbeiten und können somit Aufgaben der Wohnraumversorgung für alle Berlinerinnen und Berliner langfristig nachgehen.

Wie funktioniert der Wohnraumförderungsfonds?

Öffentliche Gelder sollen in Zukunft so ausgegeben werden, dass sie zu preiswerten Mieten führen und eine Wohnungsversorgung für Mieter gewährleisten, die auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Hierfür wollen wir einen „Wohnraumförderfonds“ einrichten. Weil alle Förderdarlehen später wieder an den Fonds zurückfließen, entsteht ein auf Dauer angelegtes Instrument auch für zukünftige günstige Mietwohnungen. Dieser Fonds soll einerseits zur Schaffung von neuen günstigen Mietwohnungen und andererseits als Instrument zur Mietpreissenkung eingesetzt werden. Zum Beispiel können Mieter mit geringem Einkommen im bestehenden und ehemals geförderten sozialen Wohnungsbau über den Vermieter einen Antrag auf  Senkung der aktuell zu hohen Miete beantragen. Eigentümer können eine Förderung für notwendige Modernisierungsmaßnahmen, wie z.B. für den Einbau eines Fahrstuhls für altersgerechtes und barrierefreies Wohnen beantragen. Im Gegensatz zum Bundesmodernisierungsprogramm über die KfW-Bank zur energetischen Sanierung können die Kosten dafür nicht auf die Mieten umgelegt werden. Ebenso wird Neubau von Wohnungen für Menschen mit geringen Einkommen gefördert. Gefördert wird Wohnraum für 3 Einkommensstufen, die sich  an den Kosten der Unterkunft für Hartz IV-BezieherInnen, der Wohngeldgrenze und den geringen Einkommen knapp über der Wohngeldgrenze orientieren.

Will der Senat nicht auch den Bestand an Wohnungen erhöhen? Wozu dann noch ein Volksentscheid?

Ja schon, aber die aktuellen Förderpläne des Senats sind nicht ausreichend und gewährleisten keine preisgünstigen Mieten: Mit dem Wohnungsneubauförderfonds des Senats sollen 1000 Wohnungen pro Jahr geschaffen werden – angesichts der Wohnungsnot und eines Zuzuges von derzeit 40.000 Menschen pro Jahr nach Berlin viel zu wenig! Die Versprechen, Sozialwohnungen zu errichten, sind im besten Fall vage – der Prozentsatz oft im Sinne der Bauherren verhandelbar, die Kaltmieten ab 6,50 Euro zu hoch und der Förderzeitraum über 20 Jahre viel zu gering. Senator Geisel will außerdem Eigenheimerwerb im Neubau-Sektor fördern, für diejenigen, die bereits Eigenkapital besitzen. Mit dem Volksentscheid können die Berlinerinnen und Berliner selbst aktiv werden und dem Senat die Richtung hin zu einer öffentlich gestalteten und sozialen Wohnungspolitik weisen.

Was sind die konkreten Auswirkungen? Wie viele zusätzlichen Wohnungen mit günstigen Mieten sollten durch Ankauf und Neubau entstehen?

Es gibt 1.6 Millionen Mietwohnungen in Berlin. Davon gehören etwa 300.000 den landeseigenen Wohnungsunternehmen. Weitere 220.000 landeseigene Wohnungen gingen seit 1992 durch Verkäufe an Finanzinvestoren verloren. Zusätzlich gehören noch rund 80.000 Wohnungen zum geförderten sozialen Wohnungsbau in privater Hand, die Mieten liegen über dem Mietspiegel. In Berlin fehlen über 120.000 preisgünstige Wohnungen. Mit dem Gesetz verfolgen wir das Ziel diesen Wohnraum zu schaffen und mittelfristig 500.000 Wohnungen mit günstigen Mieten durch kommunalen Besitz oder langfristige Bindungen zur Verfügung zu stellen. Dadurch würde die Wohnungsnot in Berlin effektiv bekämpft und auch ein zukünftiges Einwirken auf den Immobilienmarkt gesichert werden.

Bringt der Volksentscheid nur etwas für Menschen in städtischen Wohnungsunternehmen? Was ist mit den Menschen im privaten Wohnungsbau?

Der Volksentscheid betrifft vor allem den Wohnungssektor der öffentlichen Hand sowie den geförderten Wohnungsbau. Er wirkt sich langfristig auf den übrigen Wohnungsmarkt aus, indem etwa die Schaffung öffentlichen Wohnraums mit bezahlbaren und stabilen Mieten die Höhe des örtlichen Mietspiegels beeinflusst. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die zulässigen Mietsteigerungen im privaten Bestand. Zudem bietet eine gestärkte öffentliche Wohninfrastruktur die Chance, ein soziales Auffangnetz für von Verdrängung und Gentrifizierung bedrohte Menschen in Berlin zu bilden. Nicht zuletzt können private Wohnungsunternehmen sowie private Vermieter die Wohnraumförderung in Anspruch nehmen, um Neubau oder Modernisierung ohne steigende Mieten durchführen zu können. Der Volksentscheid ist nur der erste Schritt in die richtige Richtung. Weitere Maßnahmen gegen Verdrängung und Mietsteigerungen müssen folgen!

Wie viel Mitspracherecht werden die Mieterinnen und Mieter in den zukünftigen städtischen Wohnungsunternehmen haben?

In den städtischen Wohnungsunternehmen werden Mieterinnen und Mieter Mitspracherecht über Mieterbeiräte auf Siedlungsebene und im Gesamtmieterrat haben, der mit vier Personen im Verwaltungsrat vertreten ist. Der Gesamtmieterrat kann über die Notwendigkeit von Modernisierungsmaßnahmen, aber auch über eventuelle Verkaufsabsichten und Lösungen für Probleme von Mieterinnen und Mieter in den Siedlungen mitentscheiden.

Hilft der Volksentscheid gegen die Verdrängung aus der Innenstadt bzw. gegen die Gentrifizierung?

Der Volksentscheid setzt der Verdrängung der sozial schwächsten BewohnerInnen etwas entgegen. Die Mieterinnen und Mieter im sozialen Wohnungsbau werden durch die Förderung und die umgestalteten öffentlichen Wohnungsbauunternehmen gegen Verdrängung geschützt. Neuer Mietwohnraum zur Sicherung der berühmten Berliner Mischung wird auch im Innenstadtbereich geschaffen. Auch wenn der Volksentscheid nicht jede Form der Verdrängung aus privaten Wohnungsbeständen verhindern kann, ist es das Ziel, Wohnungen zu rekommunalisieren und sie damit dem Markt als Spekulationsobjekt zu entziehen. Mittel- und Langfristig wird dies ein wichtiges Mittel sein, um Verdrängung zu verhindern.

Heißt 'mehr sozialer und kommunaler Wohnungsbau' auch 'weniger Grünflächen und Parks' in der Stadt? Wo sollen die neuen Wohnungen entstehen?

Ziel des Gesetzes ist, bei der Sicherung und Schaffung von sozialem und kommunalem Wohnraum einen möglichst großen Schutz von Grünflächen zu gewährleisten. Wir sehen den Zuwachs an neuen Wohnungen im städtischen Wohnungsbestand vor allem im Zukauf von Wohnungen und Belegrechten, sowie in Maßnahmen der Erweiterung von Wohnraum ohne Neuversiegelung (zum Beispiel Dachgeschossausbauten, Umwandlungen von bisher nicht für Wohnen genutzten Gebäuden) und der Umwandlung von bereits benutzen Flächen für Gewerbe, Lagerflächen, Parkplätzen und ähnlichen Nutzungen. Die Förderung von Neubauvorhaben soll vorrangig auf bereits erschlossenen Grundstücken realisiert werden.

Muss der Senat sich an das Gesetz halten?

Wird das „Berliner Wohnraumversorgungsgesetz“ von den Berlinerinnen und Berlinern beschlossen, muss der Senat es umsetzen und es ist in jedem Fall für die laufende Legislaturperiode gültig. Durch die Unterschriften und die Abstimmung wird ein politischer Druck aufgebaut, der es auch kommenden Regierungen erschwert, dieses Gesetz wieder rückgängig zu machen. Trotzdem kommt es auf uns an, nach der Abstimmung den Druck aufrecht zu erhalten. Je mehr Menschen sich für die Umsetzung des Gesetzes engagieren und sich weiterhin für die Interessen der Mieterinnen und Mieter einsetzen, desto besser.

Wer sind die Initiatoren dieser Initiative? Wie finanziert ihr euch?

Der Volksentscheid wurde von einem breiten Bündnis von Mieterinitiativen aus vielen Bezirken erarbeitet. Dabei bekamen wir Unterstützung von Anwältinnen und Wohnungswirtschaftlern, Wissenschaftlerinnen und Mieterberatern. Der Volksentscheid finanziert sich ausschließlich über Spenden von Organisationen und Einzelpersonen.

Wie sieht der Zeitplan aus? Wann kann abgestimmt werden?

Über das Gesetz muss dreimal abgestimmt werden: wir beginnen mit einer Unterschriftensammlung zur Einleitung des Volksbegehrens. Für diese erste Etappe brauchen wir 20.000 Unterschriften bis Ende Mai 2015. Danach kann das Abgeordnetenhaus entscheiden, ob es unser Gesetzt übernimmt. Lehnt es das ab, sammeln wir gemeinsam Unterschriften für einen Volksentscheid. Wenn wir es schaffen 180.000 Unterschriften zu sammeln, wird das Gesetz bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 zur Abstimmung gestellt.

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Wie kann ich euch unterstützen? Was für Mitmach-Möglichkeiten gibt es?

Gemeinsam sind wir stark! Jede und jeder kann mithelfen, einen großen Schritt in Richtung eines sozialen Berlins zu gehen. Dafür könnt ihr euch die Unterschriftenlisten an einem der Sammelpunkte abholen oder die Listen selber ausdrucken. Jeden Dienstag findet um 18 Uhr das Berliner Aktiventreffen im Kreuzbergmuseum (Adalbertstraße) statt. Dort diskutieren wir gemeinsam die nächsten Schritte, teilen uns in Sammelteams auf und planen Aktionen rund um den Volksentscheid. In einigen Bezirken und Kiezen gibt es auch lokale Sammelgruppen mit regelmäßigen Treffen. Für mehr Infos, trage dich einfach in unseren Newsletter ein und registriere dich hier.

 

Der Zeitplan

 

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